Christine Kensche (*1982 in Obschwarzbach; † Januar 2025) war eine herausragende deutsche Journalistin und Schriftstellerin, deren Arbeit durch Einfühlungsvermögen, Mut und eine klare Beobachtungsgabe geprägt war. Sie hinterließ tiefe Spuren in der deutschen Medienlandschaft, insbesondere durch ihre Berichterstattung aus dem Nahen Osten und ihre investigativen Reportagen.
Frühes Leben und Ausbildung
Geboren in Obschwarzbach, einem Ortsteil von Mettmann in Nordrhein-Westfalen, zeigte Kensche früh ein Interesse an Geschichte und internationalen Beziehungen. Sie studierte Geschichte, Politik und Germanistik in Bonn und Rom, wo sie ihre Sprachkenntnisse in Italienisch vertiefte. Von 2008 bis 2010 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn, wo sie als Dozentin für die Geschichte Italiens und deutsch-italienischer Beziehungen tätig war und internationale Stipendienprogramme koordinierte.
Journalistische Karriere
Nach einem Volontariat an der Axel Springer Akademie in Berlin (2010–2012) begann Kensche als freie Reporterin zu arbeiten. Sie berichtete aus Italien, Israel, den Palästinensergebieten und deutschen Gerichten. Ab 2015 war sie Redakteurin bei der Welt und der Welt am Sonntag, zunächst im Ressort Investigation und Reportage. Ihre Arbeit zeichnete sich durch ihren Mut aus, auch schwierige Themen anzugehen. Besonders bekannt wurde sie durch ihre Recherchen im Berliner Clan-Milieu, etwa durch ein Interview mit dem Clan-Chef Issa Rammo, das später zu Drohungen gegen sie führte. Diese Erfahrungen verarbeitete sie in dem Buch Auf der Straße gilt unser Gesetz: Arabische Clans – Ein Insider erzählt seine Geschichte (2020, Heyne Verlag), das sie gemeinsam mit Khalil O. veröffentlichte.
2016 erschien ihr Sachbuch Acht deutsche Sommer (Rowohlt Verlag), das deutsche Geschichte ab 1945 durch Porträts erzählt und ihre Fähigkeit unterstreicht, große Themen durch persönliche Geschichten zugänglich zu machen.
Ab 2020 war Kensche Nahost-Korrespondentin der Welt in Tel Aviv. Sie lernte Hebräisch und bemühte sich, auch Arabisch zu sprechen, um den Menschen vor Ort näherzukommen. Ihre Berichterstattung war geprägt von Fairness und einem tiefen Verständnis für die komplexen Verhältnisse in Israel und den Palästinensergebieten. Besonders nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 zeigte sie außergewöhnliches Engagement. Als eine der ersten Reporterinnen war sie im verwüsteten Kibbuz Re’im, sprach mit Überlebenden des Nova-Festivals und dokumentierte die sexuelle Gewalt und die Leiden der Geiseln. Ihre Berichte zeugten von einer seltenen Kombination aus journalistischer Präzision und menschlichem Mitgefühl.
Persönlichkeit und Vermächtnis
Christine Kensche, von Freunden und Kollegen „Tine“ genannt, war bekannt für ihre Fähigkeit, Gegensätze zu vereinen: Sie war übergriffig und liebenswert, fürsorglich und manchmal selbstvergessen. Ihr Einfühlungsvermögen machte sie zu einer Ausnahmejournalistin. WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard lobte ihre „Herzensbildung“ und ihre Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Sie knüpfte schnell persönliche Beziehungen, sei es mit Kollegen, Quellen oder Freunden in Israel, und verweigerte sich Klischees und Stereotypen.
Privat liebte Kensche das Leben. Sie rettete Tiere von der Straße – ihren Hund Petel („Himbeere“) und die Katzen Milky und Bamba – und behandelte sie mit derselben Gerechtigkeit, die sie in ihrer Arbeit zeigte. Ihre Wohnung in Tel Aviv war ein Ort der Begegnung, ihre Dachterrasse Schauplatz vieler Gespräche. Sie war großzügig, brachte Kollegen Mitbringsel und vergaß keinen Geburtstag.
Tod und Nachruf
Am 10. Januar 2025 gab die Welt-Redaktion bekannt, dass Christine Kensche verstorben sei. Die Nachricht löste tiefe Bestürzung in der Medienwelt aus. In Nachrufen wurde sie als „unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung“ gewürdigt, die Geschichten fand, die Herz und Kopf erreichten. Die genaue Todesursache wurde nicht öffentlich gemacht, was zu Spekulationen führte, die jedoch ohne Grundlage bleiben.
Christine Kensches Arbeit und ihr Engagement werden in der Erinnerung vieler weiterleben. Wie es in einem jüdischen Gebet heißt: „Solange wir leben, werden auch sie leben, denn sie sind nun ein Teil von uns, wenn wir uns an sie erinnern.“